DBRD-Algorithmus: Akutes Koronarsyndrom (ACS)
NUN-Algorithmus: Akutes Koronarsyndrom (ACS)
Der Begriff akutes Koronarsyndrom (ACS) umfasst den ST-Hebungsinfarkt (STEMI), den Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und die instabile Angina pectoris (IAP). NSTEMI und IAP werden noch einmal unter NSTE-ACS gegliedert.

Der STEMI zeigt sich im 12-Kanal-EKG anhand einer charakteristischen ST-Streckenhebung in mindestens zwei benachbarten Ableitungen.
Beim NSTEMI zeigt der Patient infarkttypische Symptome, jedoch keine ST-Streckenhebung. Andere EKG-Veränderungen können allerdings auftreten. Klinisch wird eine Erhöhung des Troponin-T-Gehalts im Blut diagnostiziert.
Bei der IAP fehlen sowohl die ST-Streckenhebungen als auch der Anstieg des Troponin-T.
Ein neu aufgetretener Rechtsschenkelblock gilt als STEMI-Äquivalent und wird dementsprechend behandelt. Bei einem Linksschenkelblock sollten die Sgarbossa-Kritierien zum Erkennen eines STEMI genutzt werden.
„Die relative Häufigkeit von STEMI ist abnehmend und bei NSTEMI zunehmend. Es gibt ein festes Muster für STEMI, nämlich, dass er relativ häufiger bei jüngeren als bei älteren Menschen und häufiger bei Männern als bei Frauen auftritt.“ (ESC Pocket Guidelines, Version 2017, Therapie des akuten Herzinfarktes bei Patienten mit ST-Streckenhebung (STEMI))
Ursache
Ursächlich für ein Akutes Koronarsyndrom ist ein teilweiser oder kompletter Gefäßverschluss eines Herzkranzgefäßes. Beim Herzinfarkt resultiert dieser häufig aus der Ruptur eines Placques der Gefäßwand. Die Ruptur führt zu einer Aktivierung von Thrombozyten wodurch sich ein Thrombus bildet. Das Myokardgewebe hinter dem Verschluss kann folglich nicht mehr mit Sauerstoff und anderen Nährstoffen versorgt werden und geht zu Grunde. Der “Muskeltod” ist ursächlich für den Vernichtungsschmerz, der i.d.R. Leitsymptom eines ACS ist.

Anderen Formen des ACS, wie der Angina Pectoris, liegen meist “lediglich” Gefäßverengungen zugrunde. Hierdurch gelangt bei Belastung nicht genügend Blut zu den beanspruchten Herzmuskelzellen und es entstehen typische Beschwerden wie Dyspnoe und AP-Beschwerden. Die Verengungen haben in den meisten Fällen ebenfalls atherosklerotische Veränderungen zum Ursprung. Sonderformen, wie die Prinzmetal-Angina, können hingegen auch bei scheinbar gesunden Gefäßen auftreten. Im Falle der PM-Angina beispielsweise durch Vasospasmen der Koronararterien.
Risikofaktoren
nicht-beeinflussbare Risikofaktoren |
beeinflussbare Risikofaktoren |
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Symptome
- retrosternales Druck- oder Schweregefühl
- Dyspnoe
- Ausstrahlung: linker Arm/ beide Arme, Hals, Kiefer, Magengrube, Rücken
- starkes Schwitzen
- Kopfschmerzen
- Übelkeit & Erbrechen
Achtung bei Frauen und Diabetikern: Herzinfarkte werden bei dieser Patientengruppe häufiger übersehen, da nicht immer die „typische“ Symptomatik gezeigt wird!
Umgehend nach der ersten Diagnostik sollte innerhalb der ersten 10 Minuten ein 12-Kanal-EKG geschrieben und ausgewertet werden. Anhand dessen unterteilt man die Patienten in zwei Gruppen:
AKUTER THORAXSCHMERZ MIT
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AKUTER THORAXSCHMERZ OHNE
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EKG: ST-Strecken-Hebung in mind. zwei |
EKG: ST-Senkung, vorübergehende STHebung |
Bei Patienten mit akutem Thoraxschmerz und anhaltenden ST-Strecken-Hebungen erfolgt der sofortige Transport in ein HK-Labor! Alle anderen Patienten sollten einer Chest-Pain-Unit zugeführt werden.
Therapie
Die Therapie bei ACS-Patienten sieht immer die Anlage eines i.v-Zugangs vor, zudem sollte eine Oberkörper-Hoch-Lagerung 45° zur Entlastung des Herzens erfolgen. Sauerstoff wird bei einer Sättigung < 90% empfohlen, bei allen höheren SpO2- Werten sollte kein Sauerstoff appliziert werden.
Volumentherapie
Linksherzinfarkt: geringe Volumengabe
Rechtsherzinfarkt: hohe Volumengabe (bestehendes Vorlastproblem)
Medikamente
- Glyceroltrinitrat (Nitrolingual): 1 Hub á 0,4 mg s.l. (ggf. Wiederholung nach 5 min)
Hinweis: ESC-Leitlinie (2017) -> keine routinemäßige Gabe bei STEMI, keine Vorteile für das Outcome, zur Analgesie stattdessen Opiate - Acetylsalicylsäure (ASS): 250 mg i.v.
- Heparin: 5.000 IE i.v.
Medikamente zur Analgesie
- Morphin: 2 mg i.v. (Gabe bis Wirkeintritt wiederholen)
- Fentanyl: initial 50 μg i.v. (max. 1,5 μg / kgKG i.v.)
- Sufentanil: initial 5 μg i.v. (max. 20 μg)
MEDIKAMENTE GEGEN ÜBELKEIT
- Dimenhydrinat (Vomex): 62 mg i.v.
- Droperidol (Xomolix): 0,625 – 1,25 mg i.v.
- Ondansetron: 4 mg i.v. bei laufender Infusion
siehe DBRD-Algorithmus: Übelkeit & Erbrechen
Differentialdiagnostik
„Bei unselektierten Patienten mit akutem Thoraxschmerz in der Notaufnahme kann folgende Krankheitsprävalenz erwartet werden: 5–10% STEMI, 15–20% NSTEMI, 10% instabile Angina pectoris, 15% andere Herzerkrankungen und 50% nicht-kardiale Erkrankungen.“ (ESC Pocket Guidelines, Version 2015, Akutes Koronarsyndrom ohne ST-Hebung (NSTE-ACS))
- kardiovaskuläre Erkrankungen (z.B. Herzrhythmusstörungen, Myokarditis)
- Lungenarterienembolie (LAE)
- Pneumothorax
- Aortendissektion
- traumatische Verletzungen (z.B. Rippenfraktur)
Quellen
- American Heart Association. (2015). Acute Coronary Syndrome. https://www.heart.org/en/health-topics/heart-attack/about-heart-attacks/acute-coronary-syndrome
- Deutscher Berufsverband Rettungsdienst e.V. (DBRD). (2021). Muster-Algorithmen 2021 zur Umsetzung des Pyramidenprozesses im Rahmen des NotSanG. https://dbrd.de/images/algorithmen/AlgoDBRDV60Update2021.pdf
- Deutsche Gesellschaft für Kardiologie. (2015). Akutes Koronarsyndrom ohne ST-Hebung (NSTE-ACS) (Version 2015). Grünwald, Deutschland: Börm Bruckmeier.
- Deutsche Gesellschaft für Kardiologie. (2017). Therapie des akuten Herzinfarktes bei Patienten mit persistierender ST-Streckenhebung (STEMI) (Version 2017). Grünwald, Deutschland: Börm Bruckmeier Verlag GmbH.
- Deutsche Gesellschaft für Kardiologie. (2018). Vierte Definition des Myokardinfarktes (Version 2018). Grünwald, Deutschland: Börm Bruckmeier.
- Deutscher Rat für Wiederbelebung – German Resuscitation Council e.V. (2021, 25. März). Reanimation 2021 – Leitlinien kompakt. grc-org.de. https://www.grc-org.de/downloads/GRC-Leitlinien-2021-kompakt_v02.pdf
- Enke, K., Flemming, A., Hündorf, H.-P., Knacke, P. G., Lipp, R. & Rupp, P. (Hrsg.). (2015). Lehrbuch für präklinische Notfallmedizin: Patientenversorgung und spezielle Notfallmedizin (5. Aufl., Bd. 1). Edewecht, Niedersachsen: Stumpf + Kossendey. – S. 363-370
- LV ÄLRD Niedersachsen / Bremen. (2021). „NUN – Algorithmen“ zur Aus- und Fortbildung und als Grundlage zur Tätigkeit von Notfallsanitätern(innen) in Niedersachsen. https://lard-nds.de/download/nun-algorithmen-2021/#
- Scientific Animations (Abb. 1 & 2): https://www.scientificanimations.com/wiki-images/ under CC BY-SA
Zuletzt aktualisiert am 21. Juni 2021 von Luca H.