Unter einem Schädel-Hirn-Trauma wird jegliche Verletzung des Schädels verstanden, die mit einer Schädigung des Gehirns einhergeht. Im Rettungsdienst kommt das Schädel-Hirn-Trauma immer wieder bei traumatischen Unfallmechanismen vor.
Im Rahmen der Versorgung von Unfallopfern mit einem Polytrauma kommt dem Management des Blutdrucks durch die eingesetzten Rettungskräfte eine entscheidende Rolle zu.
Ursache #
Ursachen für das Auftreten eines Schädel-Hirn-Traumas sind Gewalteinwirkungen auf den Kopf. Hierzu zählen Stürze, Schläge oder starke Aufpralle, wie sie bei Verkehrsunfällen oder Stürzen aus großer Höhe auftreten.
Pathophysiologisch kommt es zu einer irreversiblen Schädigung der Gewebsstrukturen im Gehirn. Im Verlauf der Erkrankung treten weitere Schädigungen häufig durch Minderversorgung mit Blut oder Sauerstoff auf. Es kann zu einem Schädelbruch, Hirnschwellung mit Hirnödem oder intrakraniellen Blutungen kommen.
Symptome #
Bei einem SHT können je nach Verletzungsmechanismus und Schwere verschiedensten Symptomen auftreten, diese können in folgende Übergruppen zusammengefasst werden:
subjektive Symptome #
- Kopfschmerzen & Schwindel
- Benommenheit
- Übelkeit & Erbrechen
- Sehstörungen
objektive Verletzungszeichen #
- Schwellungen
- Hämatome
- Riss- & Platzwunden
- Deformation des Schädels
- Austritt von Blut, Liquor oder Hirngewebe
- Blutung aus Mund, Nase oder Ohr
- Pupillendifferenz & -auffälligkeiten
Schädigungen des Nervensystems #
- Amnesie
- Lähmungen
- Sprach-, Orientierungs- und Koordinationsstörungen
- Krampfanfälle
- Atemstörungen
- vegetative Störungen
Bewusstseinsstörungen #
- Vigilanzminderung
- Verhaltensänderungen
- verlangsamte Reaktionen
- Bewusstlosigkeit
Einteilung der Schwere #
Das Schädel-Hirn-Trauma wird mithilfe der Glasgow-Coma-Scale (GCS) in drei Schweregrade eingeteilt. Es sollte immer eine initiale GCS erhoben werden und mindestens eine weitere während der Versorgung / des Transportes, da es zu deutlichen Verschlechterungen aber auch Verbesserungen im Verlauf der Versorgung kommen kann.
GCS | Klassifikation |
13 – 15 | leichtes SHT |
12 – 9 | mittelschweres SHT |
< 9 | schweres SHT |
Eine weitere Unterscheidung findet zwischen dem gedeckten und offenen SHT statt.
gedecktes SHT: geschlossene Verletzung des Gehirns
offenes SHT: bei eröffnetem Schädelknochen und Verletzung der harten Hirnhaut (Dura mater)
weitere Verletzungen #
Bei einem bewusstlosen Patienten mit SHT ist grundsätzlich der Verdacht auf weitere, in der Summe lebensbedrohliche Verletzungen zu unterstellen.
Es muss zwingend eine sorgfältige Schnelle-Trauma-Untersuchung und weitere Diagnostik erfolgen, um keine Verletzungen zu übersehen. Relevant sind insbesondere Verletzungen des Respirationstraktes und Verletzungen im Bereich großer Blutungsräume (Abdomen, Becken, Oberschenkel).
Bei unklarer Vigilanzminderung muss zudem auch immer an eine Hypoglykämie gedacht werden.
Therapie #
Die Behandlung des Schädel-Hirn-Traumas sollte sich immer nach der Schwere und den Symptomen richten. Wenn möglich sollte ein Transport in eine Klinik mit Neurochirurgie durchgeführt werden, bei einem schweren SHT muss zwingend in eine Neurochirurgie transportiert werden.
Atemwegssicherung / Beatmung #
- Intubation bei Patienten mit einem schweren SHT (GCS < 9), alternativ Larynx-Maske /-Tubus oder Beutel-Masken-Ventilation
-> nach Intubation Normoventilation und Normokapnie anstreben - hochdosierte O2-Gabe, eine Sättigung unter 90% muss vermieden werden
Diskussion: milde Hyperventilation
Eine große Diskussion besteht darüber, ob eine Senkung des intrakraniellen Drucks (ICP) mithilfe milder Hyperventilation sinnvoll ist. Hierdurch wird zwar eine Senkung des ICP durch Hypokapnie erzielt, allerdings auf Kosten einer verminderten Hirnperfusion durch Vasokonstriktion und somit Minderversorgung mit Sauerstoff.
medikamentöse Therapie #
- Volumengabe -> der MAD sollte bei 90 mmHg liegen, Ziel ist eine Normotension
- eine (Analgo-)Sedierung kann durchgeführt werden
Bei Vorliegen von lebensbedrohlichen Blutungen in Kombination mit einem schweren SHT muss zwingend eine Normotension erfolgen, um eine Durchblutung des Gehirns sicherzustellen! Ein etwaiger Blutverlust durch andere Blutungen muss in Kauf genommen werden.
Diskussion: Tranexamsäure
Bei einem mittelschweren SHT ist die Indikation nicht geklärt. Bei schweren SHT gibt es keine nachgewiesenen Vor- und Nachteile. Im Rahmen eines Polytraumas mit SHT sollte Tranexamsäure zur Blutungsbehandlung gegeben werden.
CAVE: Ob Mannitol & hypertone Kochsalzlösungen ein positives Outcome bewirken, kann aufgrund der aktuellen Studienlage nicht festgestellt werden. Von einer Glukokortikoid-Therapie soll abgesehen werden.
Lagerung #
- Immobilisation auf Vakuummatratze mit Headblocks
- eine Oberkörperhochlage (30°) kann den venösen Abfluss aus dem Hirn und eine ICP-Senkung unterstützen
Indikationen für eine Krankenhauseinweisung #
Bei folgenden Symptomen soll eine Krankenhauseinweisung erfolgen:
- Koma
- Bewusstseinstrübung (ab GCS <15)
- Amnesie
- neurologische Störungen
- Krampfanfall
- klinische Zeichen einer Schädelfraktur oder penetrierenden Verletzungen
- Liqouraustritt aus Nase oder Ohr
- Gewalteinwirkung auf den Schädel mit anschließendem Erbrechen oder bei Gerinnungsstörung / -therapie
Quelle #
- Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. (DGU). (2016, Oktober 26). Kurzversion der S3 – Leitlinie Polytrauma/ Schwerverletzten-Behandlung. 012-019l_S3_Polytrauma_Schwerverletzten-Behandlung_2017-08-abgelaufne_01.pdf (awmf.org)
- Firsching, R., Rickels, E., Mauer, U. M., Sakowitz, O. W., Messing-Jünger, M., Engelhard, K., Schwenkreis, P., Linn, J. & Schwerdtfeger, K. (2015). Leitlinie Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter. awmf.org. 008-001l_S2e_Schaedelhirntrauma_SHT_Erwachsene_2015-12-abgelaufen.pdf (awmf.org)
- Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin e.V. (GNPI). (2022). Das Schädel-Hirn-Trauma im Kindesalter. awmf.org. *024-018l_S2k_Schaedel-Hirn-Trauma-Kinder-Jugendliche-SHT_2022_02.pdf (awmf.org)