DBRD-Algorithmus: Hypertensiver Notfall
Von einer hypertensiven Entgleisung ist die Rede, wenn der Blutdruck > 180/120 mmHg ist und keine Hinweise auf Organschädigung vorliegen. Der Begriff „hypertensive Krise“ wird in der Regel nicht mehr genutzt, man unterscheidet nur noch zwischen hypertensiver Entgleisung und hypertensivem Notfall.
Ein hypertensiver Notfall wird definiert als eine schwere Hypertonie > 180/110 mmHg (andere Angaben möglich) in Verbindung mit klinischen Zeichen für eine akute Endorganschädigung. Diese Art des Notfalls erfordert eine sofortige, adäquate Blutdrucksenkung.
Zeichen einer Endorganschädigung können dabei u.a. sein: neurologische Auffälligkeiten (Sprach- & Sehstörungen), hypertensive Enzephalopathie (Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Balanceschwierigkeiten), Lungenödem, Aortendissektion, Nierenversagen, Krampfanfälle bis hin zu Intrakranielle Blutung (ICB).
- hypertensive Entgleisung = RR > 180/120 mmHg
- hypertensiver Notfall = RR > 180/110 mmHg + Organbeteiligung
Die Grenzwerte für das Rettungsdienstpersonal liegen im Rahmen der Algorithmen meist deutlich höher, bevor eine Blutdrucksenkung durchgeführt werden darf. Häufig besteht bei diesen Patienten bereits seit längerer Zeit ein Hypertonus, so dass eine notfallmäßige Blutdrucksenkung selten nötig ist und stattdessen eine geregelte medikamentöse Behandlung im Krankenhaus begonnen werden sollte.
Ursache #
Die Ursache für das Auftreten eines hypertensiven Notfalls sind vielfältig. Häufig sind folgende Ursachen feststellbar:
- vorbestehende arterielle Hypertonie
- selbstständiges Absetzen bzw. vergessene Einnahme von Blutdrucksenkern
- emotionale Erregungszustände und Stress
- Alkoholentzug & Drogenmissbrauch (Kokain oder Amphetamine)
- Nierenarterienstenose, Tumore der Nebenniere
Symptome #
Die Symptome eines hypertensiven Notfalls sind vielseitig und können sich auf verschiedene Arten zeigen. Die häufigsten Auffälligkeiten finden sich im Bereich des zentralen Nervensystems, des Herz-Kreislauf-Systems oder es zeigen sich Symptomen, welche auf Nierenprobleme hindeuten.
- zentrales Nervensystem: Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit & Erbrechen, Sprach- & Sehstörung, Halbseitenlähmung
- Herz-Kreislauf: akute Linksherzinsuffizienz, Lungenödem, Angina-Pectoris-Anfall, Arrhythmien, Epistaxis
- Niere: Hämaturie, Oligurie bis Anurie
Therapie #
hypertensive Entgleisung:
→ Transport in die Klinik
hypertensive Notfall:
→ RR-Senkung nur bei RR > 180/110 mmHg oder kardialen Symptomen
→ Senkung max. 20%, bei V.a. Schlaganfall nicht unter 180/110 mmHg
Medikamente #
Urapidil | 10 mg i.v. als Initialbolus (Erhöhung bis 50 mg möglich) Ablauf: titrieren → messen; Wiederholung alle 5 Minuten möglich |
Nifedipin | 5 mg p.o. einmalige Gabe |
Differentialdiagnostik #
- Hypoglykämie
- Hyperglykämie
- Schlaganfall
Quellen #
- Bastigkeit, M. (2019). Medikamente in der Notfallmedizin. Edewecht, Deutschland: Stumpf + Kossendey.
- Deutscher Berufsverband Rettungsdienst e.V. (DBRD). (2022). Muster-Algorithmen 2022 zur Umsetzung des Pyramidenprozesses im Rahmen des NotSanG. https://www.dbrd.de/images/algorithmen/DBRGAlgo1221_Web1.pdf
- European Society of Cardiology (ESC). (2013). 2013 ESH/ESC Guidelines for the management of arterial hypertension. European Heart Journal, 34(28), 2159–2219. https://doi.org/10.1093/eurheartj/eht151
- European Society of Cardiology (ESC). (2018). 2018 ESC/ESH Guidelines for the management of arterial hypertension. European Heart Journal, 39, 3021–3104. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehy339
- Wanka, V. & Weiß, S. (2019). Medikamente im Rettungsdienst (2. Aufl.). Stuttgart, Deutschland: Georg Thieme.
- LV ÄLRD Niedersachsen / Bremen. (2022). „NUN – Algorithmen“ zur Aus- und Fortbildung und als Grundlage zur Tätigkeit von Notfallsanitätern(innen) in Niedersachsen. https://lard-nds.de/download/nun-algorithmen-2022/