Das Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) ist eine akut einsetzende, lebensbedrohliche Form des respiratorischen Versagens. Es wird durch verschiedene Erkrankungen oder deren Kombination ausgelöst und kann aufgrund der begrenzten Diagnostik in der Präklinik nicht sicher diagnostiziert werden.
Für den Rettungsdienst hat das ARDS dennoch eine besondere Bedeutung, da die präklinische Stabilisierung der Oxygenierung und Ventilation entscheidend ist, um sekundäre Schäden zu verhindern. Zudem kann der Rettungsdienst im Rahmen von Intensivverlegungen mit Patienten mit diagnostizierten ARDS in Kontakt kommen.
Ursachen #
Die häufigsten Ursachen für das Entstehen eines Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) sind Sepsis und Pneumonie. Aber auch direkte Schädigungen der Lunge wie die Aspiration von Mageninhalt, Inhalationstraumata, schwere Polytraumata oder Ertrinkungsunfälle können das ARDS auslösen.
Durch eine Entzündungsreaktion in der Lunge und es kommt zur Schädigung der Blut-Luft-Schranke, einer empfindlichen Trennschicht zwischen Blutgefäßen und Alveolen. Durch diese Schädigung wird die Barriere durchlässig – Flüssigkeit, Eiweiße und Entzündungszellen treten aus den Blutgefäßen in die Alveolen über. Es bildet sich ein interstitielles Lungenödem.
In der Folge werden Typ-II-Pneumozyten, welche Surfactant produzieren, geschädigt. Surfactant ist essenziell, um die Oberflächenspannung zu reduzieren und die Alveolen offenzuhalten. Durch eine verminderte Produktion kollabieren die Alveolen und es bilden sich Atelektasen. Zusätzlich lagern sich Eiweiße, Fibrin und Zellreste in den Alveolen ab und es kommt zur Bildung von Mikrothromben in den Lungenkapillaren.
Hierdurch wird die Belüftung und Durchblutung eingeschränkt und es kommt zu einem schweren Sauerstoffmangel (Hypoxämie) mit damit einhergehendem CO₂-Anstieg (Hyperkapnie).Wenn sich die Lunge nicht innerhalb einiger Tage erholt, kommt es im weiteren Verlauf zur Bildung von Lungenfibrosen (bindegewebigem Umbau des Lungengewebes). Die Lunge verliert ihre Elastizität und die Atmung bleibt dauerhaft und irreversibel eingeschränkt.
Symptome #
Die Symptome treten akut auf, können jedoch je nach vorliegender Grunderkrankung oder der spezifischen Kombination aus verschiedenen Erkrankungen abweichen.
- schwere Dyspnoe
- Tachypnoe
- Zyanose (häufig keine Besserung trotz Sauerstoffgabe)
- Tachykardie & Hypotonie
- Bewusstseinseintrübung & Vigilanzminderung
Bei Kindern sind die Symptome oft unspezifisch, hier gelten als Warnzeichen vor allem eine Zyanose sowie Einziehungen und Nasenflügeln. Es ist besondere Vorsicht geboten, da Kinder schnell dekompensieren und über wenig respiratorische Reserven verfügen.
Therapie #
Die präklinische Therapie konzentriert sich auf die Aufrechterhaltung der Oxygenierung. Zusätzlich sollte stets ein i.v.-Zugang angelegt werden.
- hochdosierte O2-Gabe über Maske mit Reservoir → Zielwert 92 – 96%
(Beutel-Masken-Ventilation nur mit geringem Druck!) - wenn möglich: Lagerung 30 – 45° Oberkörperhochlagerung, ggf. Bauchlagerung bei schwerer Hypoxämie
- Nicht-invasive Beatmung (NIV) bei erhaltener Schutzreflexe und moderater Hypoxämie möglich
Je nach Schwere der Symptome kann eine präklinische Notfallintubation (Rapid Sequence Intubation) notwendig sein. Aufgrund der Schädigungen der Lunge sollte auf eine lungenprotektive Beatmung geachtet werden, die Leitlinie gibt hierzu folgende Empfehlungen:
Beatmungsparameter | Einstellung |
---|---|
Beatmungsmodus | druckkontrolliert oder volumenkontrolliert |
Tidalvolumen | ~ 6 ml/kg (Idealgewicht) |
PEEP | mind. ≥ 5 cmH2O + schrittweise Erhöhung solange Compliance zunimmt (Inkrementeller PEEP-Trial) |
Inspirationsdruck | ≤ 30 cmH2O |
Pmax (oder Druckdifferenz) | ≤ 15 cmH2O (≤ 14 cmH2O) |
I:E-Verhältnis | 1:1 bis 1:1,5 |
Ziel-SpO2 | 92 – 96 % |
Das Transportziel bei Verdacht auf ARDS sollte stets ein Krankenhaus mit Intensiv- & Beatmungskapazitäten sein.
Differentialdiagnostik #
Quellen #
- Brower, R. G., Matthay, M. A., Morris, A., Schoenfeld, D., Thompson, B. T. & Wheeler, A. (2000). Ventilation with Lower Tidal Volumes as Compared with Traditional Tidal Volumes for Acute Lung Injury and the Acute Respiratory Distress Syndrome. New England Journal Of Medicine, 342(18), 1301–1308. https://doi.org/10.1056/nejm200005043421801
- Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI). (2025). S3-Leitlinie Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz. In AWMF Online (AWMF-Reg.Nr. 001-021). https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/001-021
- Gores, M. & Schneck, J. (2019). Durchatmen? Fehlanzeige! Das akute Lungenversagen (ARDS). Retten!, 8(05), 347–354. https://doi.org/10.1055/a-0646-6938