Opiat-Intoxikationen sind akute Vergiftungen durch opioidhaltige Substanzen und stellen einen einen akut lebensbedrohlichen Notfall dar. Neben dem Drogenabusus kann es auch im Rahmen von Suizidversuchen oder durch die Überdosierung von Analgetika (bspw. durch Fentanylpflaster) zu einer Intoxikation mit Opiaten kommen.
Für den Rettungsdienst ist die schnelle Identifikation und adäquate Therapie entscheidend, um das Outcome der Patienten zu verbessern. In den letzten Jahren ist ein Anstieg von Opioid-Überdosierungen vor allem im großstädtischen Bereich zu verzeichnen.
Ursache #
Die häufigsten Ursache einer Opiat-Intoxikation sind:
- unbeabsichtigte Überdosierung: Fehldosierung von verschriebenen Medikamenten
- Drogenmissbrauch: durch Heroin und synthetische Opioide wie Fentanyl
- Mischintoxikationen: Kombination mit Benzodiazepinen oder Alkohol, dadurch gegenseitige Wirkverstärkung
Opiate binden an periphere und zentrale Opioid-Rezeptoren, wodurch es zu einer analgetischen Wirkung und einer starken Dämpfung des zentralen Nervensystems kommt.
Symptome #
Durch die Einnahme großer Mengen von Opiaten kommt es zu Symptomen, welche Patienten schläfrig bis komatös erscheinen lassen. Das zugehörige Toxidrom ist das narkotische Syndrom, gut zu merken als “reduziert & langsam”.
- Vigilanzminderung bis Koma
- Miosis („Stecknadel-Pupillen“)
- Atemdepression (Bradypnoe bis Apnoe)
- Zyanose
- Bradykardie
- Hypotonie
- Hypothermie
Therapie #
Die Therapie erfolgt grundsätzlich symptomorientiert, mit einem besonderen Fokus auf die Sicherung der Atemwege und der Atemtätigkeit. Hierzu gehört die assistierte Beatmung bei einer Atemfrequenz < 8/min oder einem unzureichenden Atemzugvolumen.
Sollte es zu einem massiven A- oder B-Problem kommen, muss die sofortige Gabe von Naloxon erfolgen.
Zudem sollte der Wärmeerhalt, vor allem bei Patienten welche im Freien aufgefunden worden sind, beachtet werden.
Medikamente #
Bei Verdacht auf eine Opiat-Intoxikation ist Naloxon das Medikament der Wahl. Es verdrängt andere Moleküle vom Opioid-Rezeptor und blockiert deren Wirkung. In Abwesenheit von Opioiden zeigt Naloxon im wesentlichen keine pharmakologische Eigenwirkung, so dass eine Gabe bei Verdacht auf eine Opiatintoxikation keine negativen Folgen hat, sollte sich der Verdacht nicht bestätigen.
Naloxon (Erwachsene) | 0,4 mg i.v. (fraktioniert) 0,8 mg i.m. 2 mg i.n. (Repetition alle 2 – 3 Minuten bis maximal 10 mg) |
Naloxon (Kinder) | 0,01 mg / kgKG i.v. (Repetition alle 3 – 5 Minuten) 0,01 mg/kgKG i.m. (Repetition möglich) |
Verabreichungshinweis:
Eine Ampulle Naloxon auf 10 ml aufziehen, anschließend langsam titriert i.v. bis zum Wirkeintritt verabreichen. Keine Bolusgabe, da Patienten sonst schnell aufklaren und renitent / aggressiv werden können. Halbwertszeit von Naloxon ist kürzer als die von Opiaten, es kann zum Rebound-Effekt (erneutes und verstärktes Auftreten der Intoxikation) kommen.
Eigenschutz #
Der Eigenschutz muss in besonderem Maße beachtet werden. Neben der Gefahr von Nadelstichverletzungen besteht die Gefahr einer versehentlichen Intoxikation. Hochpotente synthetische Opioide in Pulverform (bspw. Fentanyl, Carfentanyl, U-47700) können bei Hautkontakt oder Inhalation eine extreme toxische Wirkung auslösen.
Krankenhaustransport #
Auch bei völlig aufgehobener Opiatwirkung durch Naloxon muss der Patient einer Klinik zugeführt werden, da Naloxon eine deutlich geringere Halbwertszeit als die meisten Opioide hat. Es kann zum Rebound-Effekt, also dem erneuten und verstärkten Auftreten der Intoxikation kommen.
Differentialdiagnosen #
- Hypoglykämie
- Intoxikation mit Benzodiazepinen oder Alkohol
- Schlaganfall
- Sepsis
Quellen #
- Bastigkeit, M. (2019). Medikamente in der Notfallmedizin. Edewecht, Deutschland: Stumpf + Kossendey.
- Bollinger, M. & Russo, S. G. (2022). Medikamentengabe durch Notfallsanitäter. Notfall + Rettungsmedizin, 27(3), 212–224. https://doi.org/10.1007/s10049-022-00992-3
- Centers for Disease Control and Prevention. (2024, 30. Oktober). Fentanyl – overdose prevention. https://www.cdc.gov/overdose-prevention/about/fentanyl.html
- Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) e.V. (2023, August). DIVI-Kinder Notfallkarte. https://www.divi.de/joomlatools-files/docman-files/publikationen/kinder-und-jugendmedizin/2023-08-divi-kindernotfallkarte.pdf
- Deutscher Rat für Wiederbelebung – German Resuscitation Council e.V. (2021, 25. März). Reanimation 2021 – Leitlinien kompakt. grc-org.de. https://www.grc-org.de/wissenschaft/leitlinien