ERC-Guideline: Fremdkörperaspiration Kind
Das Bolusgeschehen ist die extremste Form der Aspiration und stellt eine höchst lebensgefährliche Situation dar. Unter einer Aspiration versteht man das Einatmen von festen oder flüssigen Fremdkörpern in die Atemwege unterhalb der Glottis. Das Bolusgeschehen kennzeichnet sich durch einen teilweisen oder kompletten Verschluss der oberen Atemwege, welcher vom Patienten selber nicht abgehustet oder entfernt werden kann. Kommt es in Folge des Bolusgeschehen zum Kreislaufstillstand durch Hypoxie, spricht man vom Bolustod.
Ursache #
Die Ursache für das Auftreten einer Aspiration / eines Bolusgeschehen sind vielfältig, häufig tritt das Ereignis in Folge von
- Bewusstseinsstörungen (Intox, Apoplex, SHT, Hypoxie, etc.),
- mechanischen Faktoren (Tracheostoma, nasale Magensonde, Tumore),
- neuromuskulären Erkrankungen (Parkinson, Multiple Sklerose, Stimmbandlähmungen),
- sonstigen Faktoren (Adipositas, Schwangerschaft, hohes Lebensalter) auf.
Säuglinge aspirieren häufig Nahrung oder Erbrochenes, während Kleinkinder in der Regel Gegenstände oder kleinere Essensteilchen verschlucken. Bei Erwachsenen sind typische Fremdkörper unzureichend zerkautes Essen (Brot, Fleisch, Fischgräten), Zahnprothesen oder Tabletten.
Von einer Fremdkörperverlegung ist auszugehen, wenn der Symptombeginn sehr plötzlich erfolgte, keine anderen Krankheitszeichen vorliegen und es anamnestische Hinweise für eine Aspiration gibt.
Symptome #
Aspiration | Bolusgeschehen |
---|---|
Erstickungsanfall mit Dyspnoe bis Apnoe | plötzliche Atemnot bis Apnoe |
Zyanose | Zyanose |
Würgen & Keuchen / Stridor oder Giemen | umgekehrte (inverse) Atmung |
abgeschwächtes oder fehlendes Atemgeräusch | Herz-Kreislauf-Stillstand durch Hypoxie |
Pat. kann sprechen, husten, weinen | Pat. kann nicht sprechen o.ä. |
Ein unauffälliger Auskultationsbefund ist kein Ausschluss für eine stattgefundene Aspiration / Bolusgeschehen.
Therapie #
Die Therapie von Patienten mit einer fortbestehenden Aspiration erfolgt gemäß der ausführlich in den DBRD Algorithmen beschriebenen Reihenfolge:
Sollte der Bolus bei der Mundraumkontrolle sichtbar sein, kann versucht werden, diesen unter Sicht mithilfe einer Magill-Zange zu entfernen. Hierbei zwingend darauf achten, den Fremdkörper nicht tiefer in die Atemwege zu schieben. Nach Entfernung sollte eine klinische Evaluierung erfolgen.
Bei bewusstlosen Patienten mit einer Fremdkörperaspiration wird umgehend mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung gemäß ERC-Leitlinie begonnen. Während dieser sollte unter Laryngoskopie versucht werden, den Fremdkörper mithilfe der Magill-Zange zu entfernen.
Als letzte Möglichkeit kann bei Erwachsenen eine Intubation durchgeführt werden. Bei dieser wird versucht, den Bolus in den rechten Hauptbronchus vorzuschieben und so zumindest eine teilweise Belüftung der Lunge sicherzustellen.
Bei Kindern keine präklinische Manipulation oder Laryngoskopie, kein Heimlich-Manöver! Die kindlichen Atemwege reagieren höchst empfindlich auf Reizungen und es besteht die Gefahr einer lebensbedrohlicher Vagusreizung.
Bei Patienten ohne Atemnot oder Zyanose und mit problemloser Spontanatmung sollte ein Transport unter Sauerstoffgabe in eine Klinik zur weiteren Diagnostik durchgeführt werden.
CAVE: Eine Manipulation oder der Versuch den Fremdkörper bei wachen Patienten ohne Atembeschwerden zu entfernen, kann zu lebensgefährlichen Situationen, durch Manipulation an den Atemwegen, führen!
Quellen #
- Deutscher Berufsverband Rettungsdienst e.V. (DBRD). (2024). Muster-Algorithmen 2024 zur Umsetzung des Pyramidenprozesses im Rahmen des NotSanG. https://dbrd.de/images/algorithmen/DBRDAlgo24_Web9_2.pdf
- Deutscher Rat für Wiederbelebung – German Resuscitation Council e.V. (2021). Reanimation 2021 – Leitlinien kompakt. grc-org.de. https://www.grc-org.de/files/ShopProducts/download/Leitlinien%20kompakt_08.11.2021.pdf
- LV ÄLRD Niedersachsen / Bremen. (2024). „NUN – Algorithmen“ zur Aus- und Fortbildung und als Grundlage zur Tätigkeit von Notfallsanitätern(innen) in Niedersachsen. https://lard-nds.de/download/nun-algorithmen-2024/#
- Müller, S. & Kern, R. (2012). Kleiner Brocken – fatale Wirkung – Bolusgeschehen richtig behandeln. retten!, 1(01), 54–62. https://doi.org/10.1055/s-0032-1304288