Diabetes mellitus im Rettungsdienst

Der Diabetes mellitus (griech. für „honigsüßer Durchfluss“) bezeichnet eine Stoffwechselstörung, welche auf einen absoluten bzw. relativen Insulinmangel und/oder eine Insulinresistenz zurückzuführen ist. Hierdurch kommt es bei Patienten zu einem chronisch erhöhten Blutzuckerspiegel, welcher zu schweren gesundheitlichen Problemen führen kann.

Typen des Diabetes

Man unterscheidet hauptsächlich zwischen zwei Typen des Diabetes, Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Nach Schätzungen des Bundesministerium für Gesundheit leiden circa 7,2 % aller Erwachsenen zwischen 18 und 79 Jahren an Diabetes mellitus, wobei 90 – 95 % an Typ-2-Diabetes erkrankt sind.

Typ-1-Diabetes

Der Typ-1-Diabetes beginnt meist schon im Kindes- und Jugendalter, Ursache ist ein absoluter Insulinmangel durch das Versagen der insulinproduzierenden Teile der Bauchspeicheldrüse (Pankreas). Bisher ist dieser Typ nicht heilbar und Patienten müssen ihr Leben lang Insulin spritzen.

Typ-2-Diabetes

Der Typ-2-Diabetes beginnt häufig schleichend und wird aus diesem Grund umgangssprachlich auch „Altersdiabetes“ genannt, wobei diese Bezeichnung fehlerhaft ist, da auch immer mehr junge Menschen erkranken. Verursacht durch familiäre Prädisposition und/oder einen ungesunden Lebensstil (Übergewicht, Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung) kommt es zu einer verminderten Empfindlichkeit der Körperzellen für Insulin (Insulinresistenz). Zudem sind die insulinproduzierenden Zellen des Pankreas durch jahrelange Überproduktion erschöpft und können den Insulinbedarf nicht mehr decken (relativer Insulinmangel). Als Therapieansatz wird in erster Linie eine Lebensstiländerung (mehr Bewegung, gesunde Ernährung, normales Körpergewicht) angestrebt. Erst wenn diese Maßnahmen nicht zum Erfolg führen, muss medikamentös therapiert werden.

Typ-3-Diabetes

Unter diesem Typ gliedert man alle Diabetestypen, welche keiner der anderen Gruppen zugeordnet werden können. Hierbei handelt es sich um Formen, welche durch diverse Erkrankungen, genetische Defekte oder andere Substanzen (z.B. Medikamente) ausgelöst werden.

Typ-4-Diabetes

Der Typ-4-Diabetes ist auch als Schwangerschaftsdiabetes bekannt und tritt bei circa 6 % aller Schwangerschaften in Deutschland auf. Hierbei kommt es erstmals während der Schwangerschaft zu hohen Blutzuckerwerten. Die Ursache ist eine erhöhte Abgabe von Steroidhormonen (u.a. Cortisol, Östrogen, Progesteron etc.) unter welchen sich der Stoffwechsel verändert, Zucker wird durch die Körperzellen langsamer aufgenommen. Hierdurch entwickelt sich ein höherer Bedarf an Insulin. Kann diese Nachfrage nicht beantwortet werden, da nicht ausreichend Insulin produziert werden kann, kommt es zum Typ-4-Diabetes. In den meisten Fällen verschwindet die Erkrankung mit Ende der Schwangerschaft, Folgen für die Schwangerschaft sind häufig ein größeres und schwereres Kind bei der Geburt.

Pankreas & Hormone

Nachdem jetzt klar ist, was die Ursachen und Folgen der verschiedenen Typen des Diabetes sind, folgt zum Verständnis der Erkrankung die Betrachtung der Aufgabe der Bauchspeicheldrüse und der von ihr gebildeten Hormone, allem voran dem Insulin.

Bei der Bauchspeicheldrüse handelt es sich um eine gemischte Drüse, welche einen exokrinen und endokrinen Anteil beinhaltet. Sie wiegt ca. 70 – 100 g, ist 15 – 20 cm lang, 3 – 4 cm breit, 1 – 2 cm dick und liegt zentral im Körper, lokalisiert hinter der Leber und dem Magen unmittelbar vor der Wirbelsäule.

Relevant im Rahmen des Diabetes mellitus ist das Verständnis des endokrinen Anteils mit den „Langerhans-Insel“. Dieser beinhaltet rund ein bis zwei Millionen Drüsenzellen, welche in drei Typen unterteilt sind und verschiedene Hormone produzieren.

A-Zellen -> Glukagon

In den A-Zellen wird Glukagon produziert, es ist der Antagonist von Insulin und ebenfalls an der Regulation des Kohlenhydratstoffwechsels und des Blutzuckerspiegels beteiligt. Glukagon wird bei niedrigen BZ-Werten ausgeschüttet und regt die Leber an, die Glykogenolyse sowie die Glukoneogenese zu verstärken, wodurch Glukose aus den Speicherdepots des Körpers zurück in das Blut ausgeschüttet wird und so eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels folgt.

B-Zellen -> Insulin

Die B-Zellen bilden das Hormon Insulin, welches für einen regelgerechten Ablauf des Stoffwechsels verantwortlich ist. Wichtigste Aufgabe von Insulin ist es, für die Aufnahme und Verwertung von Glukose aus dem Blut in die Körperzellen zu sorgen. Hierzu aktiviert es einen Carrier an der Zellmembran, der die Glukose zur Verwertung in die Zelle befördert. Daneben hat Insulin noch deutlich mehr Aufgaben, welche hier aufgelistet sind:

  • Versorgung der Zellen mit Glukose & Hemmung der Glukagonproduktion
    -> Senkung des Blutglukosespiegels
  • Förderung der Lipogenese & Hemmung der Lipolyse in der Leber
  • Speicherung von Aminosäure in den Zellen
    -> Wachstumsförderung
  • erhöhter Kalium-Transport in die Muskelzellen

D-Zellen -> Somatostatin

In den D-Zellen wird das Hormon Somatostatin gebildet, welches die Freisetzung von Insulin und Glukagon in den A- und B-Zellen hemmt. Somatostatin wird auch im Hypothalamus, dem Magen und dem Dünndarm gebildet.

Auswirkungen auf den Körper

Bei fortlaufender Erkrankung mit Diabetes besteht die Gefahr (schwer verlaufende) Folgeerkrankungen zu erleiden, diese sind unter anderem:

  • periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)
  • KHK, Herzinsuffizienz und Herzinfarkt (ACS)
  • Schlaganfall / TIA
  • Nierenschädigungen bis zu Nierenversagen (diabetische Nephropathie)
  • Sehstörungen (diabetische Retinopathie)
  • Nervenschäden (diabetische Neuropathie)
  • diabetischer Fuß

relevante Erkrankungen

Neben dem vermehrten Auftreten von lebensbedrohlichen Erkrankungen, können folgende Erkrankungen in direktem Zusammenhang mit dem Diabetes auftreten:

  • Hypoglykämie
  • Hyperglykämie
  • diabetische Ketoazidose
  • hyperosmolares hyperglykämisches Syndrom


Quellen

Inhaltsverzeichnis

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Luca H.

Notfallsanitäter, PAL, OrgL & Brandmeister (Berufsfeuerwehr Oldenburg)

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