Beckenschlinge in der Präklinik – S-KIPS statt KISS

Die aktuelle S3-Leitlinie „Polytrauma/ Schwerverletzten-Behandlung“ empfiehlt in ihrer vierten Version aus dem Jahr 2023 angepasste Kriterien zur Anlage einer Beckenschlinge in der präklinischen Notfallmedizin. Mit diesen Anpassungen hat vor allem das häufig genutzte KISS-Schema (Kinematik, Inspektion, Schmerz -> Stabilisierung) ausgedient, da sich durch die Anwendung des Schemas eine inflationäre Anlage der Beckenschlinge in der vergangenen Zeit gezeigt hat. Zu oft wurde von einer vorliegenden Kinematik ausgegangen und eine Beckenschlinge ohne korrekte Indikation angelegt.

Empfehlungen der Leitlinie

Grundsätzlich empfiehlt die Leitlinie, dass das Becken in der Präklinik bei Verdacht auf Trauma immer untersucht werden soll. Immer noch bleibt eine Vielzahl von Verletzungen des Beckenringes präklinisch unentdeckt. Ein Großteil der Beckenringverletzungen ist unkompliziert und leicht zu behandeln, wobei das Vorliegen eines komplexen Beckentraumas als potentiell lebensbedrohliche Verletzung mit einer Letalität von bis zu 20% gilt.

Im Rahmen der Untersuchung des Beckens sollten eine Untersuchung auf Spontanschmerz, Druckschmerz bei vorsichtiger Palpation (nur seitlich) sowie eine Inspektion auf sichtbare äußere Verletzungen als indirekter Hinweis auf eine Beckenringverletzung erfolgen. Befunde aus der äußeren Inspektion können sein:

  • Hämatome, Abschürfungen & offene Wunden
  • sichtbare Deformität, offene Frakturen
  • Beinlängendifferenz, Rotationsfehler des Beins
  • druckschmerzhafte Symphyse mit oder ohne tastbare Lücke
  • perineale Ekchymosen (Haut- oder Schleimhautblutung im Bereich zwischen Anus und den äußeren Geschlechtsorganen)
  • Blutungen aus Harnröhre, Vagina und Anus

Bei hinreichendem Verdacht und gleichzeitiger hämodynamischer Instabilität auch ohne Hinweis auf ein tastinstabiles Becken ist die Anlage einer Beckenschlinge indiziert. Hierbei wird explizit darauf hingewiesen, dass stets eine hämodynamische Instabilität vorliegen muss. Ziel der Anlage einer Beckenschlinge ist dabei die Verkleinerung der Blutungsräume im Becken und dem Retroperitoneum um eine Blutstillung durch Selbsttamponade zu erreichen.

S-KIPS statt KISS

Hieraus resultiert als neues Schema zur Beckenimmobilisierung S-KIPS. Dabei steht das erste S für Schock und gilt analog zur Leitlinie als hämodynamische Instabilität, welche zwingend vorliegen muss. Sofern dieses erste S erfüllt wird, muss ein weiterer Punkt vorliegen, um eine Immobilisation des Beckens vorzunehmen (Ausnahme: Trauma-CPR!). Die Palpation des Beckens sollte dabei seitlich erfolgen, die Palpation von oben wird kritisch diskutiert und sollte aufgrund der Gefahr des Herbeiführens einer “Open-Book-Fraktur” nicht durchgeführt werden.

Schock

Kinematik
Inspektion
Palpation
Schmerzen

korrekte Anlage ist hochrelevant

Bei der Anlage einer Beckenschlinge sollte stets auf die korrekte Indikationsstellung und richtige Anlage geachtet werden. Von herausragender Bedeutung für den Erfolg der Maßnahme gilt die vor der Anlage durchzuführende leichte Einwärtsrotation der Beine sowie die korrekte Anlage der Beckenschlinge auf Höhe der Trochantären!

Die Grafik der Firma VBM Medizintechnik GmbH, welche uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde, zeigt dabei die korrekte Anlage der Beckenschlinge inklusive Einwärtsrotation der Beine (auch als “Schließen des kleinen Beckens” bekannt):


Quellen

Inhaltsverzeichnis

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Luca H.

Notfallsanitäter, PAL, OrgL & Brandmeister (Berufsfeuerwehr Oldenburg)

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