Die distale Radiusfraktur ist der häufigste Knochenbruch beim Menschen. Der Verletzungsmechanismus ist meist ein Sturz auf die abstützende (dorsalextendierende) Hand. Sie wird unterteilt in die Colles-Fraktur (80 – 90 %) und die Smith-Fraktur (10 – 20 %). Die Behandlung sieht bei dislozierten Frakturen eine Reposition mit anschließender Ruhigstellung (z.B. durch einen Gips) vor, häufig ist keine OP notwendig.
Die Colles-Fraktur entsteht durch einen Sturz auf die gestreckte Handfläche. Beim Aufprall überträgt sich die Körperlast vom Humerus kommend über die Ulna auf den Radius. Dies führt zu einem Belastungsmaximum und es kommt zu einer Fraktur. Die distalen Bruchstücke werden nach radial und dorsal verschoben.
Frakturen
Eine Fraktur bezeichnet die Durchtrennung eines Knochens mit Bildung von einzelnen Bruchstücken. Grund dafür ist häufig eine direkte oder indirekte Gewalteinwirkung oder ein Ermüdungsbruch bei bereits vorhandenen Schädigungen (z.B. vorhergegangenen Anbrüchen). Kommt es zu einer Fraktur aufgrund von Vorerkrankungen wie Osteoporose, spricht man von einer pathologischen Fraktur. Frakturen werden durch den Rettungsdienst in offene oder geschlossene Frakturen eingeteilt.
Frakturzeichen
Zur Erkennung einer Fraktur, ohne das bildgebende Verfahren zur Verfügung stehen, werden in der präklinischen Versorgung Frakturzeichen genutzt. Diese unterscheidet man in sichere und unsichere Frakturzeichen.
sichere Frakturzeichen
- abnorme Beweglichkeit
- Fehlstellung
- sichtbare Knochenteile
- Krepitation hörbar, ggf. fühlbar
unsichere Frakturzeichen
- Hämatome
- Schmerzen
- Schwellungen
- aufgehobene/ eingeschränkte Funktionstauglichkeit
Fraktur erkennen
- Überblick verschaffen, welche Extremitäten betroffen sind
- sichere Frakturzeichen erkennen
- DMS-Kontrolle (Durchblutung, Motorik, Sensibilität) des betroffenen Areals
- palpieren und komprimieren (auf Schmerzen und Geräusche achten), Extremitäten vorsichtig durchbewegen, außer bei grober Fehlstellung!
- Maßnahmen komplett durchplanen und vorbereiten
Versorgung einer Fraktur
Eine Fraktur sollte nach Möglichkeit so gering wie möglich manipuliert werden, häufig haben die Patienten starke Schmerzen. Grundsätzlich sollten dennoch alle dislozierten (verschobene) Frakturen reponiert werden, um DMS-Schäden zu verhindern!
Reposition
Unter einer Reposition versteht man das Zurückbringen der Fraktur in eine Normallage oder Normalstellung. Zweck dieser Maßnahme ist es, die Gliedmaßenachse wiederherzustellen. Zudem werden Sekundärschäden verringert und es kommt zu einer Druckentlastung des geschädigten Weichteilgewebes. Häufig werden durch eine Reposition die Schmerzen massiv reduziert. Eine Reposition erfolgt nur durch Zug und nie durch ein „Geradebiegen“ der Fraktur.
Immobilisation
Unter der Immobilisation versteht man die folgende Ruhigstellung des Repositionsergebnisses. Diese erfolgt unter DMS-Kontrolle vor und nach der Schienung. Die Fraktur sollte bestmöglich bewegungsfrei gelagert werden. Zur Immobilisation können verschiedene Hilfsmittel angewendet werden, im Fall der distalen Radiusfraktur ist eine Abwägung zwischen Sam-Splint und Luftkammerschiene sinnvoll.
Sam-Splint
Der Sam-Splint ist eine röntgendurchlässige Schiene, die vor allem bei distalen Unterarm- bzw. Handgelenkfrakturen angewendet wird. Durch seine dünne Metallschiene und die Ummantelung aus Schaumstoff, ist er leicht zu formen und lässt sich optimal an die Fraktur anpassen. Der SamSplint wird immer an der gesunden Extremität des Patientenvorgeformt. Er wird anschließend mit einer elastischen Binde fixiert und kann, da es sich um ein Einmalprodukt handelt, im Krankenhaus beim Patienten verbleiben. Vor und nach der Anlage muss eine DMS Überprüfung stattfinden.
Vorteile | Nachteile |
– schnelle, effektive, behutsame Immobilisation – optimale Anpassung einer Extremität – schnell einsatzfähig – einfache Handhabung – niedriges Eigengewicht – Röntgendurchlässig | – Schiene ist Blickdicht – Fraktur ist nicht frei zugänglich – keine dauerhafte Extension |
Luftkammerschiene
Die Luftkammerschiene wird im Rettungsdienst häufig zur Ruhigstellung von Extremitätsverletzungen genutzt. Sie ist durchlässig für Röntgenstrahlen und ist in zwei Größen (Erwachsener und Kind) verfügbar. Der Druck der Schiene verteilt sich gleichmäßig auf die gesamte Extremität. Der Nachteil der Schiene ist, dass sie von mindestens zwei Helfern unter Zug angelegt werden muss. Die Anwendung der Schiene ist nicht immer einfach, da im Voraus genau geplant werden muss, wie die Schiene angelegt werden soll, damit der anlegende Helfer adäquat Zug auf die Fraktur bringen kann und gleichzeitig seine Hände anschließend aus der Schiene entfernen kann. Zudem muss die Schiene bis zum Röntgen beim Patienten bleiben und steht für folgende Einsätze nicht zur Verfügung. bei der Anlage der Luftkammerschiene ist eine DMS-Kontrolle vor und nach der Anlage nötig.
Vorteile | Nachteile |
– gleichmäßige Druckverteilung – kleinere Blutungen werden komprimiert – röntgendurchlässig | – Anlage nur mit zwei Helfern – unbefriedigende Ruhigstellung von Oberarm/ Oberschenkelfrakturen – zu hoher Druck kann Durchblutung stören – nur mit Beutel möglich |
Fazit
Im Fall einer distalen Radiusfraktur ist der SamSplint das Mittel der Wahl. Er lässt sich einfach anformen und kann bis zum Ende der kompletten Diagnostik beim Patienten bleiben. Zudem ist er im Einsatz leicht anzuwenden, da ein Helfer die Fraktur reponiert und der andere Helfer anschließend den SamSplint anlegen kann. Der SamSplint ist durch seine Größe und das Gewicht handlicher und für den Patienten angenehmer zu tragen.
Quellen
- Enke, K., Flemming, A., Hündorf, H.-P., Knacke, P. G., Lipp, R. & Rupp, P. (Hrsg.). (2015). Lehrbuch für präklinische Notfallmedizin: Patientenversorgung und spezielle Notfallmedizin (5. Aufl., Bd. 1). Edewecht, Niedersachsen: Stumpf + Kossendey. – S. 175-176, 178, 181
- Amboss. (o. J.). Distale Radiusfraktur. Abgerufen 14. Juni 2020, von https://www.amboss.com/de/wissen/Distale_Radiusfraktur
- Wikimedia Commons (Abb. 1): Baedr-9439 under CC0