Die Temperaturen sinken wieder und die kalte Jahreszeit bringt unter Umständen auch neue Herausforderungen im Rahmen der Reanimation mit sich. Obgleich jeder im Rahmen der Ausbildung schonmal von den Besonderheiten bei Reanimationen unter speziellen Umständen gehört hat, geraten viele kleine Details mangels Routine schnell wieder in Vergessenheit.
Was bei Medikamentengabe, Defibrillation und Beendigung der Reanimation zu beachten ist und warum selbst Patienten mit einer No-flow-time von über 10 Minuten gute Chancen haben ohne nennenswerte neurologische Schäden zu überleben, erfahrt ihr in diesem Text.
Ein kühler Kopf rettet Zellen!
Die Reanimation von unterkühlten Patienten macht insbesondere Sinn, wenn man von Einzelfällen liest, in denen Patienten nach 6,5 Stunden Reanimation mit einer initialen Körperkerntemperatur von 13,7°C ohne neurologische Ausfälle überlebt haben.
Die Besonderheit ist hierbei, dass selbst mit einer no-flow-time, die normotherme Patienten massig Hirnzellen gekostet hätte, eine nahezu 100%ige Regeneration möglich ist. Begründet ist das in dem reduzierten Sauerstoffverbrauch der Zellen, die bei niedrigeren Temperaturen ihren Stoffwechsel herunterfahren. Als grobe Formel kann pro 1°C geringerer Temperatur mit 6% weniger O2-Vebrauch gerechnet werden. Bei einer Körpertemperatur von 28°C, verbrauchen die Zellen also nur noch 50% des Sauerstoffs und überleben so eine längere Zeit ohne Reanimationsmaßnahmen – vorrausgesetzt der Patient war zuerst unterkühlt und hat erst dann den Atemstillstand erlitten.
„Keine Atmung, Kein Puls!“ – Wirklich?
Die ERC-Guidelines warnen vor zu voreiligem Beginn der Reanimationsmaßnahmen. Bis zu eine Minute soll darauf verwendet werden, dezidiert nach Lebenszeichen Ausschau zu halten und eine schnelle EKG-Ableitung herzustellen, um eine tatsächliche Reanimationspflichtigkeit festzustellen. Durch die Hypothermie sind alle Vitalfunktionen auf ein Minimum zurückgefahren, der Puls ist oft – selbst zentral – nur schwer zu tasten.
Jeder Rettungsdienstler weiß allerdings auch, dass der „Herz-Kreislauf-Stillstand“ meist eine Blickdiagnose ist. Es sollte also ein Mittelweg gefunden und, im Zweifel, mit der CPR begonnen werden.
Wie und wann sollte die Temperatur erhoben werden?
Für die Bestimmung der Körpertemperatur empfiehlt die Leitlinie eine ösophageale Temperatursonde – mit dem RTW-Equipment gestaltet sich das eher schwierig. Die klassischen Infrarot-Thermometer für’s Ohr werden zwar als zu ungenau verurteilt, müssen uns aber im Erstangriff genügen. Theoretisch wäre die rektale Messung etwas genauer, sollte aber aufgrund des Aufwands hinten angestellt werden.
Die Temperatur sollte bei einem Verdacht auf Hypothermie spätestens vor der ersten Medikamentengabe erhoben werden. Vom Ergebnis hängt dann nämlich ab OB und wenn ja WIE OFT Medikamente verabreicht werden.
Im Verlauf der Reanimationsmaßnahmen und natürlich auch beim ROSC, sollte der Patient so schnell wie möglich in einen warmen RTW gebracht werden.
Nasse Kleidung sollte umgehend entfernt werden um die Erwärmung zu unterstützen.
Ziel muss sein, schnellstmöglich in eine Klinik zu fahren, die unter kontrollierten Bedingungen die Erwärmung des Patienten durchführen kann.
Amiodaron und Adrenalin
Der verminderte Stoffwechsel ist Fluch und Segen zugleich. Wenn es nämlich zur Medikamentengabe kommt ist zu beachten, dass aufgrund der reduzierten Stoffwechselleistung die Plasmakonzentration über einen längeren Zeitraum hoch bleibt. Es kann also leicht zu Überdosierungen kommen. Zudem wirken Medikamente wie Amiodaron weniger gut, wenn sie Patienten mit Hypothermie verabreicht werden.
Bis zu einer Körpertemperatur von 30°C soll deshalb weder Adrenalin noch Amiodaron appliziert werden. Die Wirksamkeit ist wenig erforscht, jedoch wird angenommen, dass Adrenalin bei zu geringer Körpertemperatur eher Schäden am Myokard hervorruft, als die Erfolgsaussichten bei der Reanimation zu verbessern.
Liegt die Körpertemperatur zwischen 30 und 35°C verdoppelt sich nach ERC dann nur noch das Zeitintervall, in dem Adrenalin gegeben wird. Statt wie gewohnt alle 3-5 Minuten, erfolgt die Gabe also nur noch alle 6-10 Minuten.
Je kälter, desto Strom?
Eben nicht. Bei Patienten mit einer Körpertemperatur unter 30°C, sind drei Schocks im bekannten Zeitintervall (also nach jeweils zwei Minuten bei defibrillierbarem Rhythmus) empfohlen. Nach dem dritten erfolglosen Defibrillationsversuch sollte von weiteren Versuchen abgesehen werden. Wird der Patient schon präklinisch bis auf eine Körpertemperatur von 30°C erwärmt, darf wieder nach bekanntem Schema defibrilliert werden.
“Wir hören auf”
Dieser Satz sollte erst nach sorgfältiger Abwägung fallen, weiß man doch, dass die Chancen auf ein mögliches gutes Outcome bei einer Hypothermie zunehmen.
Allenfalls bei offensichtlich „tödlichen Verletzungen oder Erkrankungen“, bei bestätigt langem Atemstillstand oder wenn sich der Brustkorb nicht komprimieren lässt, ist schon in der Präklinik Schluss.
“Man bringe den Lucas!”
Aufgrund der Möglichkeit einer kältebedingt gesteigerten Thoraxsteifigkeit, können mechanische Reanimationshilfen zum Einsatz kommen.
Im Auto – und jetzt?
Bei hypothermiebedingtem Kreislaufstillstand ist der Transport in eine Klinik, die über die Möglichkeit einer ECMO-Anlage verfügt, sinnvoll. Mithilfe der ECMO kann der Patient dann unter klinischen Bedingungen – und bei Bedarf fortgeführten Reanimationsmaßnahmen – erwärmt werden.
Quellen
- Truhlář, A., Deakin, C. D., Soar, J., Khalifa, G. E. A., Alfonzo, A., Bierens, J. J. L. M., Brattebø, G., Brugger, H., Dunning, J., Hunyadi-Antičević, S., Koster, R. W., Lockey, D. J., Lott, C., Paal, P., Perkins, G. D., Sandroni, C., Thies, K.-C., Zideman, D. A. & Nolan, J. P. (2015). Kreislaufstillstand in besonderen Situationen. Notfall + Rettungsmedizin, 18(8), 833–903. https://doi.org/10.1007/s10049-015-0096-7
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