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Transportverweigerung im Rettungsdienst

Rechtliche Grundlagen

Grundsätzlich besteht für den Rettungsdienst eine Behandlungspflicht, nicht aber eine Transportpflicht. Das bedeutet, dass alle Patienten immer behandelt werden müssen. Gleichzeitig bedeutet dies aber auch, dass ein Patient, der unbedingt ins Krankenhaus möchte, bei dem aber keine medizinische Indikation für einen Transport ins KH besteht, nicht von uns transportiert werden muss und wir den Transport in eigenem Ermessen ablehnen können.

Eine Beförderungspflicht besteht nur für Notfallpatienten in der Notfallrettung, das Niedersächsisches Rettungsdienstgesetz (NRettDG) beschreibt dieses in §2 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1. wie folgt:

“Der Rettungsdienst hat bei lebensbedrohlich Verletzten oder Erkrankten und bei Personen, bei denen schwere gesundheitliche Schäden zu erwarten sind, wenn sie nicht unverzüglich medizinische Versorgung erhalten, die erforderlichen medizinischen Maßnahmen am Einsatzort durchzuführen, die Transportfähigkeit dieser Personen herzustellen und sie erforderlichenfalls unter fachgerechter Betreuung mit dafür ausgestatteten Rettungsmitteln in eine für die weitere Versorgung geeignete Behandlungseinrichtung zu befördern (Notfallrettung), […].”

Transportverweigerung durch Patienten

Sollte ein Patient den Transport verweigern, reicht es in der Regel nicht aus, nur das Transportverweigerungsformular auf der Rückseite des Protokolls unterschreiben zu lassen. Stattdessen muss der Vorgang genau dokumentiert werden, inkl. der nötigen Aufklärung. Der Patient muss zudem einwilligungsfähig zu sein.

Grundsätzlich muss vor der Transportverweigerung immer eine Aufklärung erfolgen. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Patient eine zutreffende Vorstellung von seiner gesundheitlichen Situation und den möglichen Folgen einer Verweigerung hat. Hierzu zählt u.a. die Nennung der vorliegen bzw. möglicherweise vorliegenden Verletzungen/Erkrankungen und der ungünstigste Fall der im Rahmen seiner Verweigerung eintreten kann. Praktikabel ist es hier, den Patienten „bis zum Tod“ aufzuklären, da so auch jeder noch so ungünstige Verlauf der Erkrankung/Verletzung abgedeckt ist.

Die Aufklärung kann hierbei nach aktueller rechtlicher Auffassung auch durch Notfallsanitäter etc. erfolgen, sofern diese die medizinische Lage des Patienten einschätzen können und entsprechend ausgebildet sind. Eine Aufklärung durch den Notarzt muss immer dann erfolgen, wenn es sich bei der Erkrankung/Verletzung um eine Notarztindikation handelt. Auch wenn der Patient bereits vorher ankündigt, die Versorgung abzulehnen, muss der NA hier nachgefordert werden.

Keinesfalls sollte der Patient dazu genötigt werden, den Transport zuzustimmen, oder gegen seinen Willen (vorausgesetzt er ist einwilligungsfähig) in ein Krankenhaus gebracht bzw. behandelt werden.

einwilligungsfähige Patienten

Einwilligungsfähig ist, wer Bedeutung und Tragweite – inkl. der Risiken – der Maßnahme bzw. der Ablehnung der Versorgung erfassen und seinen Willen hiernach zu bestimmen vermag. Hierzu sollte geprüft werden, ob der Patient 4-fach (persönlich, zeitlich, örtlich, situativ) orientiert ist. Zudem dürfen keine neurologischen oder psychischen Auffälligkeiten bestehen. Hierzu zählen u.a. auch Intoxikationen etc., welche die Entscheidungsfähigkeit beeinflussen können. Die Patienten dürfen zudem nicht minderjährig sein, hier müsste eine Abklärung mit den Eltern stattfinden.

Wenn ein Patient der sowohl entscheidungsfähig als auch hinreichend aufgeklärt ist, eine Behandlung / einen Transport ablehnt, muss jede weitere Tätigkeit ausbleiben und der Patient trägt die rechtliche und medizinische Verantwortung hierfür.

nicht einwilligungsfähige Patienten

Bei Patienten, die nicht einwilligungsfähig sind, stellt sich die Lage komplizierter dar.

  • Untergebrachte Patienten: Sollte der Patient untergebracht sein, ist der zuständige Betreuer in Gesundheitssachen für die Entscheidung zuständig.
  • Medizinisch auffällige Patienten: In diesem Fall sollte zur Abklärung ein Notarzt hinzugezogen werden, um die Einsichtsfähigkeit des Patienten zu bestimmen.
  • Psychisch auffällige Patienten: Sollte der Eindruck aufkommen, dass keine Vorerkrankung vorliegt und der Patient dennoch psychisch auffällig sein, sollte die Polizei hinzugezogen werden.

bewusstlose Patienten

Bei bewusstlosen Patienten, welchen aus diesem Grund ihre Entscheidung nicht mitteilen können, geht man in der Regel davon aus, dass diese einer Behandlung einwilligen.

Ablehnung durch den Rettungsdienst

Wie oben bereits beschrieben, besteht für den RD keine Transportpflicht. Patienten nicht ins KH zu transportieren sollte in der Regel nur dann stattfinden, wenn Erkrankungen/Verletzungen sicher ausgeschlossen werden können. Dies ist aber aufgrund der begrenzten diagnostischen Mittel auf dem RTW nicht immer möglich.

Sofern die Besatzung dennoch zu dem Schluss kommt, dass ein Transport aufgrund fehlender medizinischer Indikationen nicht nötig ist, liegt es an der Besatzung, in diesem Fall zu entscheiden. Wichtig ist auch hier, dass die vor Ort notwendigen Maßnahmen ausgeführt worden sind. Bei Patienten, die ein pathologischer Bild aufweisen, bei denen aber z.B. eine Hausarztbehandlung ausreichen würde, muss sichergestellt werden, dass die Patienten betreut sind und nicht allein zuhause bleiben.

Besonders wichtig ist im Fall eines Transportverzichts alle Untersuchungsbefunde ausführlich zu dokumentieren. Hilfreich für die Entscheidung, ob ein Transport durchgeführt werden sollte, ist der in den aktuellen 2020er DBRD-Algorithmen veröffentlichte Algorithmus inkl. Checkliste:


Quellen

Inhaltsverzeichnis

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Luca H.

Notfallsanitäter, PAL, OrgL & Brandmeister (Berufsfeuerwehr Oldenburg)

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