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Schwindel – Aber was für einer?

Im rettungsdienstlichen Alltag ist Schwindel ein omnipräsentes Thema. Patienten wählen aufgrund von plötzlichen Schwindelattacken oder anderen Erkrankungen, die mit Schwindel als Symptom einhergehen den Notruf. Jeder hat dann schon einmal die Frage nach der Art des Schwindels gestellt: “Ist es eher wie auf dem Schiff oder eher wie im Karussell?” Doch was lässt sich aus der Antwort auf diese Frage ableiten und welche anderen diagnostischen Möglichkeiten haben wir in der Präklinik um Schwindelpatienten zu helfen?

Schwindel wird als Leitsymptom für Störungen des Gleichgewichtssinns verstanden, ist also ein Symptom und keine Erkrankung. Grundsätzlich spielt eine umfangreiche Anamneseerhebung bei der Diagnosestellung eine entscheidende Rolle. Denn: Schwindel ist nicht gleich Schwindel!

Die Ursachen für Schwindel

In einer Studie der LMU München wurde im Zeitraum von 1998-2019 untersucht, welche Faktoren ursächlich für die Einweisung wegen Schwindelattacken in eine neurologische Spezialambulanz waren. Neben chronischen Erkrankungen, wie dem “funktionellen Schwindel”, einem Schwankschwindel der bei Betroffenen über einen längeren Zeitraum immer wieder in psychischen Belastungssituationen auftritt, werden auch akute Ursachen gelistet, die rettungsdienstlich relevant werden können.

Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPPV)

Eine mögliche Ursache für Drehschwindel ist der BPPV. Mit ca 5.000 Fällen unter 34.860 Untersuchten, stellt diese Form von Schwindel einen nicht zu vernachlässigenden Subtyp dar. Die Ursache für diesen Schwindel befindet sich -wie so häufig – im Innenohr der Patienten. Hier befinden sich die Otolithen, kleine ,,Steinchen”, welche für die Rezeption von Schwerkraft und Beschleunigung bedeutsam sind. Im Falle des BPPV führen sie diese Funktion allerdings nicht mehr zuverlässig aus und damit zu episodischen Schwindelattacken. Gut abzugrenzen ist der BPPV durch seine Lagerungsabhängigkeit sowie das Fehlen von Hirnstammzeichen, insbesondere Nystagmen.

Zentral-vestibulärer Schwindel

Ca. 4.600 der Untersuchten litten, der Studie nach, unter sogenanntem zentral-vesitbulärem Schwindel. Ursächlich hierfür können neben zentralen Ischämien des Hirnstammes und des Kleinhirns auch Entzündungsreaktionen oder Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder MS sein. Patienten können hierbei oft nicht klar differenzieren, ob es sich um einen Dreh- oder einen Schwankschwindel handelt. Zudem sind bei dieser Form oft Hirnstammzeichen zu finden, da die zentralen Anteile des Nervus vestibulares (VIII) im Hirnstamm und dem Kleinhirn betroffen sein können. So kann zum Beispiel ein Fixationsnystagmus, also eine unkontrollierte Augenbewegung, bei der die Patienten, auch auf Aufforderung, einem bestimmten Objekt nicht folgen können, auffallen. Dieses Symptom kann alleinstehend, ohne sonstige Auffälligkeiten, auf einen Schlaganfall hinweisen, sollte also eingehend untersucht – und bei entsprechenden Anhalten – behandelt werden.

Morbus Meniére

Benannt nach dem französischen Arzt Prosper Meniére, ist diese Erkrankung in der Literatur häufig mit der klassischen Trias aus plötzlichem Drehschwindel, Tinnitus und einseitigem Hörverlust beschrieben und betrifft in der Studie der LMU immerhin fast 10 Prozent. Der Schwindel resultiert wahrscheinlich aus einem Endolymphhydrops infolge von erhöhtem Innenohrdruck. Da der Hörverlust vorrangig die tiefen Töne betrifft, können wir präklinischen jedoch meist nur eine Verdachtsdiagnose stellen. Lest hierzu gerne auch nochmal in unserem FactSheet zu Morbus Meniere nach.

Vestibulopathien

Die Vestibulopathie wird auch Neuritis vestibularis genannt. Hierbei handelt es sich um eine Funktionsstörung des Vestibular-/Gleichgewichtsorgans. Betrifft diese nur eine Seite (unilateral), ist der Auslöser meist eine Virusinfektion mit dem Herpes simplex und äußert sich häufig durch plötzlich auftretenden Drehschwindel, Spontannystagmen und einer Fallneigung zur nicht betroffenen Seite.
Sind jedoch beide Gleichgewichtsorgane gleichzeitig betroffen, so ist die Ursache meist idiopathisch und äußert sich in einem bewegungsabhängigen Schwankschwindel sowie einer Gang- und Standunsicherheit.

Therapie

Leider haben wir selten Möglichkeiten, die Beschwerden dieser Patienten zu lindern, weil häufig selbst innerklinisch nur symptomorientiert behandelt werden kann. Da jedoch starke Übelkeit in den meisten Fällen ein Begleitsymptom starken Schwindels ist, ist es oft schon eine Erleichterung für die Patienten, wenn man ihnen diese durch ein Antiemetikum wie zB. Metoclopramid, Dimenhydrinat oder Droperidol nimmt. Hierbei muss natürlich immer abgewogen werden und eine neurologische Untersuchung in der Klinik darf selbstredend durch die Nebenwirkungen der ZNS-gängigen Medikamente nicht eingeschränkt werden.


Quellen

Inhaltsverzeichnis

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Wiebke v. H.

Notfallsanitäterin & Auszubildende zur ATA (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf)

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