In diesem Teil geht es nun um das Thema Schweigepflicht, welches regelmäßig ein großes Thema im Rettungsdienst und der Medizin ist.
Damit sind wir nun auch wieder im Bereich des Strafrechts angekommen, machen aber auch einen Abstecher in das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG).
Verletzung von Privatgeheimnissen
Die Schweigepflicht, wie sie umgangssprachlich jedem bekannt ist, wird im Strafgesetzbuch unter dem Titel “Verletzung von Privatgeheimnissen” geführt und ist in § 203 StGB normiert.
Für uns relevant ist dabei vor allem der folgende Abschnitt aus dem Paragraphen:
Verletzung von Privatgeheimnissen – § 203 StGB
(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als
1. Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
[…]
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Dieses im deutschen Strafgesetzbuch normierte Recht auf Privatgeheimnisse geht grundlegend aus dem in der “Charta der Grundrechte der Europäischen Union” festgelegten “Schutz personenbezogener Daten” hervor. Und auch im deutschen Grundgesetz ist mit den Artikeln 1 und 2 das Recht auf informationelle Selbstbestimmung festgelegt. Dieses wird dort zwar nicht ausdrücklich erwähnt, die Rechtsprechung sieht in beiden Artikeln jedoch die Grundlage auf das Recht des Einzelnen, grundsätzlich über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen.
Für uns heißt es also erst einmal, dass es sich beim Thema Schweigepflicht um ein sehr hoch bewertetes Rechtsgut handelt!
Bedeutung für den Rettungsdienst
Im Rettungsdienst bedeutet dies für uns, dass wir Informationen aus dem persönlichen Lebensbereich unserer Patienten als Geheimnisse zu behandeln haben. Tun wir dies nicht und offenbaren die uns erlangen Informationen, machen wir uns strafbar. Zu diesen Informationen gehören unter anderem:
- Name
- Geburtsdatum und -ort
- Anschrift
- Diagnose
- Vorerkrankungen
- Therapie
- Transportziel
Ergänzt werden diese Informationen mit jeder anderen Information, an derer Geheimhaltung der Patient ein erkennbares Interesse haben könnte. So gilt die Schweigepflicht auch zugunsten verletzter Straftäter.
Beispiele
Der Patient berichtet dem Rettungsdienst davon, dass er sich beim Versuch ein Auto zu stehlen, indem er die Fensterscheibe hat einschlagen wollen, verletzt hat.
Diese Information darf der Rettungsdienst nicht an die Polizei weitergeben, da für alle im Einsatz erlangten Informationen die Schweigepflicht gilt.
Womit wir direkt bei einem wichtigen Hinweis sind: Der Rettungsdienst darf der Polizei keine Informationen oder Hinweise geben. Denkbar wäre dies zum Beispiel bei Verkehrsunfällen unter Alkoholeinfluss oder ähnlichem. Auch dürfen Fragen der eingesetzten Polizeibeamten in diesem Zusammenhang nicht beantwortet werden! Das ist besonders wichtig, da Polizisten häufig den Rettungsdienst nach dem Unfallhergang oder Informationen zum Verursacher fragen. Hier empfiehlt sicher der einfache Hinweis auf die geltende Schweigepflicht.
Keine Regel ohne Ausnahme
Grundsätzlich gilt: Jede Ausnahme von der Schweigepflicht muss zwingend gesetzlich geregelt sein. Das bedeutet, wenn man zur Informationsweitergabe veranlasst ist, sollte man wissen, auf welcher gesetzlichen Grundlage diese Ausnahme beruht.
Übergaben im Dienst
Eine dieser Ausnahmen betrifft dabei die Übergabe an den eintreffenden Notarzt oder das übernehmende Krankenhauspersonal.
Wenn wir Informationen über den Patienten, den Hergang der Erkrankung / des Unfalls sowie über die von uns getroffenen Maßnahmen an Teammitglieder des Rettungsdienstes, die in der Behandlung des spezifischen Patienten beteiligt sind, weitergeben, stellt dies keine Verletzung von Privatgeheimnissen dar.
Auch die Übergabe an das Krankenhaus ist von dieser Ausnahme rechtlich geschützt. Für die Tätigkeit der Ärzte und Pfleger im Krankenhaus sind die durch uns erlangten Informationen nämlich zur Ausübung der weiteren Behandlung zwingend erforderlich.
Wichtig: Wer durch uns, im Rahmen einer Übergabe, Informationen aus dem persönlichen Lebensbereich unserer Patienten anvertraut bekommt, unterliegt danach ebenfalls der Schweigepflicht.
Verletzung von Privatgeheimnissen – § 203 StGB
(3) Kein Offenbaren im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen Geheimnisse den bei ihnen berufsmäßig tätigen Gehilfen oder den bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätigen Personen zugänglich machen. Die in den Absätzen 1 und 2 Genannten dürfen fremde Geheimnisse gegenüber sonstigen Personen offenbaren, die an ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit mitwirken, soweit dies für die Inanspruchnahme der Tätigkeit der sonstigen mitwirkenden Personen erforderlich ist; das Gleiche gilt für sonstige mitwirkende Personen, wenn diese sich weiterer Personen bedienen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit der in den Absätzen 1 und 2 Genannten mitwirken.
Einwilligung / mutmaßliche Einwilligung
Ein weiterer Fall in welchem wir die durch uns erlangten Daten weitergeben dürfen liegt vor, wenn der Patient in die Weitergabe einwilligt. Dies wird auch als “Entbindung von der Schweigepflicht” bezeichnet.
Willigt der Patient ausdrücklich oder durch schlüssige Erklärung in die Weitergabe der Informationen ein, dann handelt es sich bei dieser Weitergabe nicht um eine Verletzung von Privatgeheimnissen im Sinne des § 203 StGB.
Im Gegenteil, gelegentlich ist es vom Patienten sogar gewünscht, dass Informationen durch uns an bestimmte Personen wie zum Beispiel den Nachbarn, Freunde oder die Polizei weitergegeben werden.
Ist der Patient bewusstlos, bzw. anders nicht zu dieser Einwilligung fähig, dann kann seine Einwilligung auch mutmaßlich sein. Hierbei sollten wir vorsichtig sein, denn: Wir vermuten lediglich das die Weiterleitung von Informationen im Interesse des Patienten liegt.
Fälle in denen wir davon ausgehen können, dass wir dem Interesse des Patienten entsprechen, können beispielsweise sein:
- die Rechte des Patienten werden dadurch gewahrt
- bei Ermittlungsbestreben zur Ursache des Patientenzustand
- beim informieren enger Angehöriger über Zustand und Transportziel
- beim Weiterleiten von Daten zur Kostendeckung an die Krankenkassen
Wichtig ist darauf zu achten, ob es Hinweise geben könnte, die uns von dieser zustimmenden Mutmaßung abbringen. Zum Beispiel wenn Angehörige auch tatverdächtig sein können.
Pflicht zur Weitergabe von Informationen
Es gibt jedoch auch gesetzliche Verpflichtungen, die uns zur Weitergabe personenbezogener Daten verpflichten und die Schweigepflicht beschränken.
Nichtanzeige geplanter Straftaten
Erfahren wir in der Ausübung unserer rettungsdienstlichen Tätigkeit von dem Plan oder der Ausführung einer Straftat (wichtig: nicht für bereits durchgeführte Straftaten!), welche explizit im § 138 StGB genannt ist, ist das Nichtanzeigen strafbar.
Nichtanzeige geplanter Straftaten – § 138 StGB
(1) Wer von dem Vorhaben oder der Ausführung
2. eines Hochverrats […],
3. eines Landesverrats oder einer Gefährdung der äußeren Sicherheit […],
4. einer Geld- oder Wertpapierfälschung […],
5. eines Mordes (§ 211) oder Totschlags (§ 212) oder eines Völkermordes […] oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit […] oder eines Kriegsverbrechens […]
6. einer Straftat gegen die persönliche Freiheit […],
7. eines Raubes oder einer räuberischen Erpressung […] oder
8. einer gemeingefährlichen Straftat […]
zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterläßt, der Behörde oder dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige zu machen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Wie bereits am gezeigten Ausschnitt zu erkennen ist, handelt es sich hierbei aber nicht um “kleinere Vergehen” wie Sachbeschädigung oder Diebstahl, sondern um schwerwiegende Straftaten wie Mord oder “Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion”.
Kinderschutzgesetz
Das Gesetz zur Information im Kinderschutz (KKG) dient dazu, das Wohl von Kindern und Jugendlichen zu schützen sowie ihre körperliche, geistige und seelische Entwicklung zu fördern.
Der § 4 KKG setzt dabei die Schweigepflicht für die festgeschriebenen Berufsgruppen außer Kraft, wenn während der Ausübung der beruflichen Tätigkeit gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes / Jugendlichen festgestellt werden. In diesen Fällen soll zu Schutz des betroffenen Kindes / Jugendlichen das Jugendamt informiert werden, welches weitere Schritte prüft und einleitet.
Beratung und Übermittlung von Informationen durch Geheimnisträger bei Kindeswohlgefährdung – § 4 KKG
(1) Werden
1. Ärztinnen oder Ärzten, Zahnärztinnen oder Zahnärzten Hebammen oder Entbindungspflegern oder Angehörigen eines anderen Heilberufes, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
[…]
in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt, so sollen sie mit dem Kind oder Jugendlichen und den Erziehungsberechtigten die Situation erörtern und, soweit erforderlich, bei den Erziehungsberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.
Infektionsschutzgesetz
Als weiteres Beispiel ist im rettungsdienstlichen Kontext das Infektionsschutzgesetz zu nennen. Dieses listet in § 7 Absatz 1 InfSchG Krankheitserreger auf, welche dazu verpflichten eine namentliche Meldung an die Gesundheitsbehörden zu veranlassen. In § 9 Absatz 1 InfSchG ist genau aufgeschlüsselt, welche Informationen dann weitergegeben werden müssen.
Vermutlich sind die Rettungsdienste die nach § 8 Absatz 1 Nr. 5 InfSchG zur Meldung verpflichtet wären, jedoch nur selten tatsächlich in der Position eine solche Meldung zu veranlassen, da Patienten in der Regel in ein Krankenhaus verbracht werden und der dortige Arzt dann die Meldung vornehmen muss.
Nächstes Mal…
… geht es um das Thema Transportverweigerung. In Teil 6 (Erscheinungstermin noch unklar) unserer Serie zum Thema Recht klären wir dazu spannende Fragen und bringen Licht ins Dunkle.
Wir freuen uns auf Dein Feedback: Hat Dir der Artikel gefallen, fehlt Dir etwas beim Inhalt oder war etwas nicht verständlich dargestellt? Lass es uns wissen, schreib uns auf Instagram oder über unser Kontaktformular!