Rechtliche Grundlagen (Recht – Teil 1)

Unsere neue Serie startet, diesmal mit dem großen und oft gewünschten Thema Recht! Los gehts mit den Grundlagen des deutschen Rechtssystems. Nach und nach werden wir dann auf spezifische Bereiche des Rechts, vor allem in Bezug auf den Rettungsdienst eingehen.

Rechtsgebiete

In Deutschland unterscheidet man in die drei große Rechtsgebiete Zivilrecht, öffentliches Recht und Strafrecht. Diese drei Rechtsgebiete versammeln viele verschiedene Gesetze unter sich, wobei der Übergang zwischen zwei Rechtgebieten nicht immer klar abgegrenzt werden kann.

Zivilrecht

Das Zivilrecht erfasst die Rechtsgebiete, welche sich mit rechtlichen Beziehungen zwischen gleichgestellten Privatrechtssubjekten befassen. Privatrechtssubjekte sind dabei entweder natürliche Personen (z.B. Bürger) oder juristische Personen (z.B. Unternehmen).

Das wichtigste Gesetz ist das BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) welches neben grundlegende Regelungen zu Personen, Tieren, Vereinen etc. auch spezifische Regelungen zu Verträgen (u.a. dem Behandlungsvertrag), Eigentum oder dem Familienrecht beinhaltet.

Beispiel

Der Rettungsdienst R kauft bei dem Händler H drei neue Beatmungsgeräte. Der hierzu geschlossene Kaufvertrag betrifft das Zivilrecht, da R und H zwei juristische Personen sind, welche gemeinsam einen Vertrag geschlossen haben.

öffentliches Recht

Das öffentliche Recht regelt das Verhältnis zwischen Trägern der öffentlichen Gewalt (dem Staat) und einzelnen Privatrechtssubjekten (z.B. Bürger oder Unternehmen).

Das öffentliche Recht umfasst hierbei z.B. das Verfassungsrecht aber auch für den Bürger praktische Rechtgebiete wie das Baurecht, das Steuerrecht oder auch das Dienstrecht.

Beispiel

Der Rettungsdienst R möchte eine neue Wache bauen, hierzu wird eine Baugenehmigung bei der Stadt S beantragt. Dies ist eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit, es kommt zu einem Verhältnis zwischen der juristischer Person R und der Stadt S als Vertreterin des Staates.

Strafrecht

Das Strafrecht umfasst alle Rechtsnormen eines Landes, durch welche bestimmte Verhaltensweisen verboten und damit als Straftat unter Strafe gestellt und sanktioniert werden. Ziel ist es, dass Zusammenleben Aller zu regeln und Rechtsgüter (z.B. Leben, Gesundheit und Eigentum) zu schützen. Man unterscheidet zwischen dem materiellen Strafrecht und dem formellen Strafrecht.

Das materielle Strafrecht beschreibt einen Tatbestand und seine Rechtsfolge (die Strafe). Hierzu gehört das StGB (Strafgesetzbuch) aber auch zahlreiche Straftatbestände aus dem Nebenstrafrecht (Waffengesetz, Arzneimittelgesetz, etc.).

Das formelle Strafrecht regelt das Verfahren über die Durchsetzung des materiellen Strafrechts. Hierzu gehören die z.B. die Strafprozessordnung (StPO) oder das Jugendgerichtsgesetz.

Beispiel

Der Notfallsanitäter N legt im Einsatz dem Patienten P einen venösen Zugang, obwohl dieser nicht einwilligt und der Zugang nicht medizinisch erforderlich gewesen wäre. Damit verwirklicht N den Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung, womit das Strafrecht betroffen ist.

Aufbau einer Rechtsnorm

Eine Rechtsnorm (also der Text, den man im Gesetz zum passenden Paragraphen findet) besteht immer aus zwei Teilen, dem Tatbestand und der Rechtsfolge. Sie ist in einer Wenn-Dann-Relation aufgebaut: Wenn der Tatbestand erfüllt ist, dann greift die Rechtsfolge.

Tatbestand

Der Tatbestand definiert die Gesamtheit aller tatsächlichen Voraussetzungen einer Rechtsnorm. Er benennt also die abstrakten Merkmale, die vorliegen müssen, damit eine Rechtsfolge ausgelöst wird.

Beispiel

Sachbeschädigung – § 303 Abs. 1 StGB
„Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, …“

Herausgabeanspruch – § 985 BGB
„Der Eigentümer kann von dem Besitzer …“

Rechtsfolge

Die Rechtsfolge definiert die Folge welche eintritt, wenn der Tatbestand einer Rechtsnorm erfüllt wird. Nicht jede Rechtsnorm braucht eine eigene Rechtsfolge, es kann auch auf eine andere Rechtsnorm mit Rechtsfolge verwiesen werden.

Beispiel

Sachbeschädigung – § 303 Abs. 1 StGB
„… wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Herausgabeanspruch – § 985 BGB
„… die Herausgabe der Sache verlangen.“

Legaldefinition

In einigen Fällen kann eine Rechtsnorm auch eine reine Definition enthalten, es handelt sich dann um eine Legaldefinition.

Beispiel

Eintritt der Volljährigkeit – § 2 BGB
„Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein.“

Der Straftatbestand

Anders als oben beim Tatbestand beschrieben, wird der Straftatbestand (also der Tatbestand einer Norm aus dem Strafrecht) noch einmal in die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale unterteilt.

objektive Tatbestandsmerkmale

Die objektiven Tatbestandsmerkmale beschreiben die von außen ersichtlichen Teile der Tatbestandsverwirklichung, z.B. die Person des Täters, das Handlungsobjekt (z.B. eine fremde bewegliche Sache beim Diebstahl) oder die objektive Zurechenbarkeit der Tat.

Beispiel

Diebstahl – § 242 Abs. 1 StGB
„Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen …“

subjektive Tatbestandsmerkmale

Der subjektive Tatbestand bezieht sich auf das Bewusstsein des Täters während der Tat, also die inneren Gegebenheiten. Diese Merkmale sind von außen nicht erkennbar und nur dem Täter ersichtlich.

Regelmäßig kommen hier die Formen von Vorsatz und Fahrlässigkeit in Betracht. Der § 15 StGB bestimmt, dass grundsätzlich nur vorsätzliches Handeln strafbar ist, während fahrlässiges Handeln explizit unter Strafe gestellt sein muss.

Als Vorsatz definiert man „das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung mit allen seinen Umständen“. Fahrlässig handelt eine Person hingegen, „wenn sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.” (Hinweis: Diese Definition entspringt dem BGB, wird aber regelmäßig auch im Strafrecht angepasst verwendet.)

Als Beispiel dient hier der § 229 StGB, welcher die fahrlässige Körperverletzung unter Strafe stellt, wohingegen es keine Form der fahrlässigen Sachbeschädigung gibt, da diese nicht ausdrücklich bestraft wird.

Somit muss bei jedem Straftatbestand neben dem Vorliegen von objektiven Tatbestandmerkmalen auch die Frage geprüft werden, ob der Täter mit Vorsatz oder ggf. fahrlässig gehandelt hat und der Tatbestand damit erfüllt ist.

Beispiel

Vorsatz:
Die beiden Kollegen A und B haben einen Streit. Im weiteren Verlauf bricht A seinem Kollegen B durch einen Schlag die Nase. A war bewusst, dass er mit dem Schlag B die Nase bricht. A handelt somit vorsätzlich.

Fahrlässigkeit:
Auf einer Alarmfahrt fährt der Kollege K mit 70 km/h und ohne eingeschaltetes Horn über eine rote Ampel in eine Kreuzung ein. Es kommt zum Verkehrsunfall, bei dem der Fahrer eines anderen Wagens verletzt wird. A hätte wissen müssen, dass er über eine rote Ampel langsamer und mit eingeschaltetem Horn hätte fahren müssen. Er verletzt die für jeden ersichtliche objektive Sorgfaltspflicht und muss damit rechnen, dass es zum Unfall kommt. K handelt somit fahrlässig.

Nächstes mal…

… geht es um Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe. Und damit unter anderem um das Thema Notwehr und rechtfertigender Notstand, aber auch um die Pflichtenkollision und die (mutmaßliche) Einwilligung! Mehr dazu liest du in Teil 2 unserer Serie zum Thema Recht am nächsten Mittwoch (07.09.2022).


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Inhaltsverzeichnis

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Luca H.

Notfallsanitäter, PAL, OrgL & Brandmeister (Berufsfeuerwehr Oldenburg)

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